Neues zur Liposuktion und Erstattung der Kosten durch die Krankenkasse

von Fachanwalt für Sozialrecht Ulf Hänsel

Kosten für Liposuktion ab Stadium 3 werden erstattet!

 

 

Die Liposuktion stellt für viele Betroffene, die unter einem Lipödems oder Lymphödem leiden und die schon alles versucht haben, um die Schwellungen an Armen, Beinen und Gesäß zu bekämpfen, häufig die letzte Möglichkeit für eine Linderung oder gar Heilung ihrer Beschwerden dar. Die Erstattung der Kosten für die Liposuktion gestaltete sich für gesetzlich Versicherte jedoch schon immer als äußerst schwierig, da die Liposuktion nicht zum Katalog der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen gehörte. Auch die Rechtsprechung war in gewisser Weise uneinheitlich, weil einige Gerichte die Durchführung der Liposuktion auf Kosten der Krankenkasse im Rahmen einer stationären Behandlung durchaus zuließen, wenn auch nur unter engen Voraussetzungen, d. h. für die Operation musste die Notwendigkeit eines stationären Aufenthaltes nachgewiesen werden, was bei einer bestimmten Menge an zu entnehmendem Fettgewebe der Fall war.

 

In einer Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 24. April 2018 (B 1 KR 13/16 R) hat das Bundessozialgericht auch dieses „Schlupfloch“ für die Betroffenen geschlossen und auch einer Liposuktion im Rahmen einer stationären Behandlung eine Absage erteilt. Der Senat hat entschieden, dass eine stationäre Liposuktion auch nicht gemäß § 137c Abs. 3 SGB V als sogenannte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürfte, weil die Behandlungsmethode nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots entspreche.

 

Dennoch gab es Hoffnung für die Betroffenen.

 

So hat der gemeinsame Bundesausschuss (GBA) im Jahre 2018 beschlossen, dass eine Studie zur Erprobung der Liposuktion beschlossen werden sollte, um prüfen zu können, ob sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten würde (die Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Studie, die Erprobungsrichtlinie Liposuktion vom 18. Januar 2018, ist abrufbar unter www.gue-ba.de/informationen/richtlinien/101/).

 

Das Bundessozialgericht hatte in dem oben beschriebenen Urteil vom 24. April 2018 darauf hingewiesen, dass Betroffene, die eine Versorgung mit der Liposuktion begehren, zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Teilnehmer an der Studie haben. Die Entscheidung über die Teilnahme stellte aber ein eigenständiges Verwaltungsverfahren dar. Daher sollten Betroffene, die eine Liposuktion durchführen lassen wollten, spätestens Anfang Januar 2020 einen Antrag bei Ihrer Krankenkasse (die Krankenkasse ist für die Entscheidung über die Teilnahme an der Studie zuständig!) stellen und eine Teilnahme an der Studie beantragen. Sollte der Antrag abgelehnt werden, so kann im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens und auch gegebenenfalls Klageverfahrens überprüft werden, ob die Krankenkasse die Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen hat.

 

 

Update: Kosten für Liposuktion werden erstattet!

Liposuktion ab Stadium III ist befristet Kassenleistung

 

Zwischenzeitlich hat der gemeinsame Bundesausschuss mit Beschluss vom 19. September 2019 die Liposuktion bei einem Lipödem im Stadium III befristet zur Kassenleistung erklärt. Danach können sich Patientinnen, die an einem Lipödem im Stadium III leiden, zukünftig unter bestimmten Bedingungen mit einer Liposuktion ambulant oder stationär zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln lassen. Der Einschluss dieser Methode ist zunächst bis zum 31. Dezember 2024 befristet, da bis zu diesem Zeitpunkt die Ergebnisse der vom GBA in die Wege geleiteten Erprobungsstudie zur Liposuktion bei Lipödemen erwartet werden. Sobald die Studienergebnisse vorliegen, wird der GBA abschließend zu Methode für alle Stadien der Erkrankung entscheiden.

 

Voraussetzungen für die Behandlung auf Kosten der Krankenkasse

Das Lipödem ist eine krankhafte Fettvermehrungsstörung, die an Armen und Beinen auftreten kann und insbesondere im Stadium III zu starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt. Die Krankheit tritt nahezu ausschließlich bei Frauen auf. Es gibt keine belastbaren Schätzungen wie viele Frauen an einem Lipödem leiden.

 

Für eine gesicherte Diagnose des Lipödems im Stadium III muss die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt folgende Symptome feststellen: Die Patientin leidet an einer übermäßigen Fettgewebsvermehrung mit überhängenden Gewebeanteilen von Haut und Unterhaut und einem Druck- oder Berührungsschmerz im Weichteilgewebe der betroffenen Extremitäten, wobei Hände und Füße nicht betroffen sind. Vor einer Operation des Lipödems im Stadium III muss über einen Zeitraum von sechs Monaten eine konservative Therapie (z.B. Lymphdrainage, Kompression, Bewegungstherapie) kontinuierlich durchgeführt worden sein. Wenn trotz der konservativen Therapie keine Linderung der Beschwerden eintritt, kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt die Durchführung einer Liposuktionsbehandlung verordnen.

 

Als Maßnahme zur Qualitätssicherung hat der GBA unter anderem festgelegt, das vor dem ersten Eingriff eine Operationsplanung erfolgen und dokumentiert werden muss. Darin werden die zu behandelnden Körperareale der Patientin und die voraussichtliche Anzahl der Eingriffe festgelegt, sowie die Menge an abzusaugendem Fettgewebe. Mehr als 3000 ml reinen Fettgewebes pro Eingriff dürfen nur dann abgesaugt werden, wenn die postoperative Nachbeobachtung über mindestens 12 Stunden sichergestellt ist. Berechtigt zur Indikationsstellung und Durchführung der Liposuktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sind Fachärztinnen und Fachärzte für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie sowie andere operative tätige Fachärztinnen und Fachärzte, wenn sie die im Beschluss genannten Anforderungen erfüllen.

Stellen Sie natürlich vor Beginn der operativen Behandlung einen Antrag bei der Krankenkasse.

 

Rechtsanwalt Ulf Hänsel

 

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zurück