Schwerbehinderung

(z. B. Feststellung und Erhöhung des Grades der Behinderung, GdB)

Gleichstellungsantrag – Antrag auf Gleichstellung mit Schwerbehinderten Menschen

 

 

Wie kann/sollte der Antrag gestellt werden?

 

Behinderte Menschen mit einem festgestellten GdB (Grad der Behinderung)  von mindestens 30 aber weniger als 50 können sich auf Antrag Schwerbehinderten Menschen gleichstellen lassen. Der Antrag ist bei der Bundesagentur für Arbeit zu stellen. Der Antrag kann bei der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit persönlich, schriftlich per E-Mail / Fax oder auch telefonisch gestellt werden. Aus Nachweis Gründen, insbesondere dann, wenn es eventuell bereits Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis gibt, sollte der Antrag möglichst schriftlich (mit Einwurfeinschreiben), per E-Mail oder per Fax gestellt werden. Die Arbeitsagentur schickt den Antragstellern ein Formular zum Ausfüllen zu.

 

Welche Vorteile bringt die Gleichstellung?

 

Wenn die Bundesagentur für Arbeit den die Gleichstellung bewilligt, hat der gleichgestellte behinderte Mensch besonderen Kündigungsschutz. Auch kann die Arbeitsagentur für Gleichgestellte spezielle Lohnkostenzuschüsse zahlen, was bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz durchaus hilfreich sein kann. Darüber hinaus wird man bei der Bundesagentur durch spezielle Fachdienste betreut, die auf dem Gebiet der Vermittlung von Behinderten/Schwerbehinderten Menschen besondere Kenntnisse haben. Gleichgestellte werden bei den Pflichtarbeitsplätzen mitgezählt, die Arbeitgeber einer bestimmten Größe vorweisen müssen, um die Schwerbehindertenquote zu erzielen. Somit kann der Arbeitgeber gegebenenfalls Ausgleichsabgaben einsparen. Die Schwerbehindertenvertretung ist auch für Gleichgestellte zuständig.

Dagegen erhält man als Gleichgestellter keinen Anspruch auf Zusatzurlaub. Anspruch auf 5 Tage Zusatzurlaub haben nur schwerbehinderte Menschen, also Menschen, bei denen ein GdB (Grad der Behinderung) von mindestens 50 festgestellt worden ist. Auch können gleichgestellte Menschen nicht die Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen.

 

Was sind die Voraussetzungen für eine Gleichstellung?

 

Neben dem Umstand, dass ein GdB von 30 oder 40 vorliegen muss und sich der Wohnsitz, der gewöhnliche Aufenthalt oder der Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befinden muss, muss eine der folgenden Voraussetzungen vorliegen:

Infolge seiner Behinderung kann der behinderte Mensch ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des §§ 156 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten.

An dieser Stelle scheitern teilweise die Anträge, weil die tatsächlichen Grundlagen für diese Voraussetzungen nicht dargelegt werden können. Auf die Darlegung der tatsächlichen Umstände, die dann zu der Annahme führen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, sollte man durchaus einigen Aufwand verwenden. Insbesondere ist es wichtig zu verstehen, dass ein GdB von 30 nicht automatisch dazu führt, dass man gleichgestellt werden würde.

Wie prüft die Bundesagentur für Arbeitsfahrt den Gleichstellungsantrag?

Das Vorliegen der Tatbestandsalternativen (Erlangen eines Arbeitsplatzes oder Behalten eines Arbeitsplatzes) ist Anliegen bezogen vorzunehmen. D. h. also, es ist von dem auszugehen, was vom Antragsteller vorgetragen und begehrt wird. Trägt der Antragsteller also beispielsweise vor, dass er gleichgestellt werden möchte, um den vorhandenen Arbeitsplatz zu behalten, so prüft die Bundesagentur auch nur, ob die Gleichstellung notwendig ist, um den Arbeitsplatz zu erhalten.

 

Was bedeutet in diesem Zusammenhang Kausalitätsprüfung oder Ursachenzusammenhang?

 

Zwischen der Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung muss ein Ursachenzusammenhang bestehen („… Infolge der Behinderung …“). Dieser Ursachenzusammenhang liegt in der Tatbestandsalternative des Behaltens eines Arbeitsplatzes vor, wenn die Schwierigkeiten, den Arbeitsplatz zu behalten, in der Art und Schwere der Behinderung begründet sind.

In der Tatbestandsalternative der Erlangung eines Arbeitsplatzes liegt der Ursachenzusammenhang vor, wenn der behinderte Mensch bei der Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist.

Um diesen Ursachenzusammenhang also darzulegen, ist es wichtig, bei Antragstellung den Bezug zur Behinderung herzustellen, d. h. in der Alternative des Behaltens des Arbeitsplatzes, müsste dargelegt werden, dass und warum der Arbeitsplatz durch die Behinderung in Gefahr ist (beispielsweise behinderungsbedingte hohe Ausfallzeiten; behinderungsbedingt können bestimmte, mit dem Arbeitsplatz einhergehende Tätigkeiten nicht mehr oder nur unter Schwierigkeiten oder nur mit besonderen Hilfsmitteln erbracht werden).

In der Variante des Erlangens eines Arbeitsplatzes könnte gegebenenfalls darauf abgestellt werden, dass aufgrund der Behinderung bestimmte arbeitsplatztechnische Voraussetzungen erfüllt sein müssen oder aber (im Falle von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen) immer eine Toilette in der Nähe sein muss.

 

Wie kann ein Antrag auf Gleichstellung zu Erlangung eines Arbeitsplatzes nun begründet werden?

 

Bereits an dieser Stelle ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass eine konkrete Betrachtungsweise angestellt wird. D. h. es geht nicht um die Erlangung „irgend eines“ Arbeitsplatzes, sondern es geht um die Frage, ob ein konkreter Arbeitsplatz erlangt werden soll. Gemeint ist damit ein Beruf bzw. eine Tätigkeit, auf den sich die Stellensuche bzw. etwaige Vermittlungsbemühungen erstrecken sollen (Zielberuf). (Beispielsweise Mechatroniker oder Diplom-Finanzwirt).

Um eine Gleichstellung mit der Notwendigkeit für die Erlangung eines Arbeitsplatzes begründen zu können, muss der Antragsteller entweder arbeitslos oder Ausbildung suchend sein (, d. h. bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet!) oder aber er ist gekündigt worden (und musste sich bislang (noch) nicht bei der Bundesagentur für Arbeit melden) oder aber der Antragsteller hat ein Arbeitsplatz inne, er strebt aber einen anderen Arbeitsplatz an.

Gut ist es also, wenn der Antragsteller auf konkrete Stellenausschreibungen verweisen kann, auf die er sich bewerben möchte oder bereits beworben hat und bei denen behinderte Menschen oder aber den behinderten Menschen gleichgestellte bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden. Diese Stellenausschreibungen (und Bewerbungen darauf mit entsprechenden Absagen) können dem Antragsformular durchaus beigefügt werden.

Gibt es derartige Stellenausschreibungen nicht, so wäre darzulegen, warum man aufgrund seiner Behinderung einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Nichtbehinderten Menschen hat, d. h. inwieweit die Behinderung Mitursache dafür ist, dass eine berufliche Eingliederung bisher nicht realisiert werden konnte und inwieweit dieser Nachteil durch die Gleichstellung ausgeglichen werden könnte. (Beispielsweise wenn man einem potenziellen Arbeitgeber eine bestimmte Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit in Aussicht stellen könnte oder aber darauf hinweisen könnte, dass man als Gleichgestellter bei der Erfüllung der Schwerbehindertenquote mitgezählt werden würde).

 

Wie kann der Antrag auf Gleichstellung zu Erhaltung eines Arbeitsplatzes begründet werden?

 

Bei dieser Tatbestandsalternative wird geprüft, ob die Schwierigkeiten des behinderten Menschen an seinem Arbeitsplatz, insbesondere Befürchtungen, den Arbeitsplatz zu verlieren, zu einem wesentlichen Teil auf die Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen zurückzuführen sind.

Es reichen dabei allgemeine Darlegungen, dass sich das Leiden verschlimmern könnte und deshalb zukünftig Leistungseinschränkungen erwartet werden oder dass mit der Gleichstellung das bestehende Beschäftigungsverhältnis oder allgemein die Integration ins Erwerbsleben leichter zu sichern seien, nicht aus. Auch der allgemeine Hinweis, man benötigte die Gleichstellung, um Wettbewerbsnachteile gegenüber Nichtbehinderten auszugleichen, begründen keine Gleichstellung.

Vielmehr können Anhaltspunkte für eine behinderungsbedingte Gefährdung eines Arbeitsplatzes unter anderem sein:

Wiederholte/häufige behinderungsbedingte Fehlzeiten (siehe oben)

behinderungsbedingte verminderte Arbeitsleistung (gegebenenfalls auch nachzuweisen durch Abmahnungen oder aber Schilderung von konkreten Sachverhalten, bei denen man auf die Minderleistung angesprochen wurde und sich evt. sogar rechtfertigen musste)

dauernde verminderte Belastbarkeit (nachzuweisen am besten durch ärztliches Attest)

auf Dauer notwendige Hilfeleistungen anderer Mitarbeiter (hier trägt man beispielsweise im Antragsformular die Gelegenheiten ein, zu denen man auf die Hilfe von anderen Mitarbeitern angewiesen ist)

behinderungsbedingte eingeschränkte berufliche und/oder regionale Mobilität

erkennbare (evt. negative) Reaktionen des Arbeitgebers auf die behinderungsbedingten Einschränkungen (z.B. Abmahnungen oder Abfindungsangebot im Zusammenhang mit behinderungsbedingt verminderter Leistungsfähigkeit – wurde etwaig ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) angeboten oder läuft ein solches bereits?).

Wichtig in diesem Zusammenhang: Die Bundesagentur befragt den Arbeitgeber und soweit vorhanden den Betriebs- oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung zur Arbeitsplatzsituation. D. h,. mit Stellen des Antrages wird der Arbeitgeber auch von dem Bestehen einer Behinderung erfahren, soweit er es bis dahin noch nicht wusste!

 

Welche Besonderheiten gelten für den Gleichstellungsantrag im öffentlichen Dienst oder für Beamte?

 

Auch Beamte und Richter sowie (ordentlich) unkündbare Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst können trotz der besonderen Rechtsstellung bzw. trotz des tariflichen Kündigungsschutzes die Hilfe des Schwerbehindertenrechts zu Erhaltung eines Arbeitsplatzes durch eine Gleichstellung benötigen, wenn der behinderte Mensch besondere Umstände vorträgt.

 

Besondere Umstände könnten z.B. sein:

 

Die drohende Versetzung eines Beamten bzw. einer Beamtin bei Auflösung seiner Dienststelle in ein anderes Amt derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt, wenn durch die Gleichstellung der bisherige Status erhalten werden kann und die übrigen Voraussetzungen für eine Gleichstellung vorliegen.

Drohende Versetzung aus behinderungsbedingten Gründen auf einen anderen nicht gleichwertigen oder der Behinderung entsprechenden Arbeitsplatz.

Mitteilung durch den Dienstherrn, dass er beabsichtigt, einen behinderten Beamten in den Ruhestand zu versetzen oder die Beauftragung des Amtsarztes zur Prüfung der Dienst(un)fähigkeit.

Auch Arbeitnehmer, die bereits infolge tarifrechtlicher und/oder rechtlicher Regelungen einen besonderen Kündigungsschutz genießen, können der Hilfe der Gleichstellung für das Behalten des Arbeitsplatzes bedürfen. Dann nämlich, wenn in diesen Fällen eine außerordentliche Kündigung aufgrund wiederholter/häufiger behinderungsbedingter Fehlzeiten droht, kann eine Gleichstellung für das Behalten des Arbeitsplatzes angezeigt sein.

Dieser besondere Status der behinderten Menschen erfordert dann allerdings auch die Darlegung konkreter behinderungsbedingter Nachteile am Arbeitsplatz (siehe oben).

Darüber hinaus kann eine Gleichstellung für die vorgenannten Personen Gruppen notwendig werden, wenn durch den Arbeitgeber bzw. den Dienstherrn besondere Arbeitserleichterung für Schwerbehinderte/gleichgestellte behinderte Menschen vorgehalten werden, die behinderungsbedingt für das Behalten des Arbeitsplatzes notwendig sind, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu vermeiden!

Auch behinderte Beamte auf Widerruf oder Beamte auf Probe sowie noch nicht unkündbare Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst können bei Vorliegen der Voraussetzungen der behinderungsbedingten und sonstigen Voraussetzungen gleichgestellt werden. Hier kann es dann allerdings zu einer Befristung kommen.

Auch beim Zugang zum Beamtenverhältnis kann sich ein Wettbewerbsnachteil beispielsweise ergeben, wenn der behinderte MenschInfolge seiner Behinderung die spezifischen gesundheitlichen Eignungsanforderungen nicht erfüllt, von gleichgestellten behinderten Menschen andererseits aber aufgrund von Laufbahnverordnungen nur ein geringeres Maß an körperliche Eignung verlangt werden darf und sich dadurch ein günstigerer Prognosezeitraum ergibt (vergleiche Urteil des Bundessozialgerichtes vom 6.8.2014 – B 11 AL 5/14 R)

 

oder

 

Die Regelaltersgrenze (als Zugangsvoraussetzung für eine Verbeamtung) überschritten hat und für gleichgestellte behinderte Menschen eine höhere Regelaltersgrenze gilt (vergleiche Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2014 – L 9 AL 24/13.

 

Rechtsanwalt Ulf Hänsel, Fachanwalt für Sozialrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Berlin, 30.11.2020

 

 

 

Hänsel, Rechtsanwalt